„Das Wirtshaus im Spessart“ im Rudolstädter Sommertheater

Theater im Grünen

von TA/OTZ/TLZ

In diesem Jahr werden es zehn Jahre, dass ich die „Drehmomente“ des Rudolstädter Vogelschießens moderiere. Dieser anlassbezogene Videoblog ist eine Produktion des „theater-spiel-ladens“ (TSL) in Rudolstadt, und so bin ich eben schon einige Jahre im Grunde ein Teil des Teams – jedoch ohne großartigen Kontakt zu den Menschen zu haben, die die eigentlichen Gesichter des TSL sind. Hauptsächlich zeichnet sich der TSL auch durch sein Sommertheater aus, das ich in der Vergangenheit schon einige Male besucht habe. Der TSL-Chef Frank Grünert rief mich kürzlich an mit einem überraschenden Angebot: Er fragte mich, ob ich eine Rolle in einem neuen Stück übernehmen möchte, „Das Wirtshaus im Spessart.“ Nun, ich dachte, es sei ein Zeichen, dass ich zwei Tage zuvor „Das Spukschloss im Spessart“ sah. Am nächsten Morgen rief ich zurück: „Ich mach’s.“

Lange Rede, kurzer Sinn: Wenige Tage später stand bereits die erste Leseprobe an. Meine einzigen Darsteller-Erfahrungen sammelte ich als Kind und Jugendliche bei Krippenspielen der Schule und in der Kirche. Diesmal aber steht eine Abenteuerkomödie von Florian Battermann nach Wilhelm Hauff auf dem Plan, und ich mache mir ehrlich Gedanken darüber, ob ich mit den anderen – aus meiner Sicht wirklich tollen Darstellern – mithalten kann und ob ich ins Team passe. An einem Freitagabend war die erste Leseprobe.

Der Ratskeller in Rudolstadt ist Domizil und Probenstätte des TSL in Rudolstadt. Nachdem dort 2020 Baumaßnahmen zur Beseitigung der Ursachen des Eindringens von Feuchtigkeit durchgeführt wurden, saniert die Theatertruppe ehrenamtlich die Räume. Das Foyer, der Saal und die Ratsstube sind bereits renoviert. Plakate und Flyer machen Lust auf einen Besuch aktueller Projekte. Die Bühne sowie Ton- und Lichttechnik müssen noch installiert werden. In den Nebenräumen, die für Garderobe, Maske, Fundus und Sanitäranlagen vorgesehen sind, sind Baumaßnahmen im Gange. Im Saal finden bereits Proben statt. Für die ersten Proben aber sitzen alle noch an einem Tisch.

„Als Regisseur haben wir wieder den wunderbaren Schauspieler Hans Burkia gewonnen, der zur Zeit in mehreren Hauptrollen am Theater Rudolstadt zu sehen ist“, schwärmt Frank Grünert. Mit dem TSL hat Hans Burkia bereits die dramatische Komödie „Genoveva oder Die Weiße Hirschkuh“ inszeniert, die 2019 und 2022 aufgeführt wurde. Auf dem Weg mache ich mir schonmal Gedanken darüber, ob ich Hans Burkia duzen oder siezen soll. Mit der Entscheidung, ihn einfach erstmal nicht direkt anzusprechen, komme ich in den Probenraum und alle duzen sich, mich und stellen sich mir gegenüber mit Vornamen vor – auch Hans. Warum ich mir überhaupt Sorgen mache...

Beim ersten Lesen entwickelte sich bereits eine Eigendynamik, Hans gab nur wenige kleine Hinweise mit auf den Weg. Beim zweiten Lesen werden die Charaktere schon präziser ausgearbeitet. Hans weiß, wie er die Darsteller sensibilisieren kann. Akribisch beschreibt er die Situationen der Figuren und inwieweit in Wirklichkeit das Umfeld die Figuren beeinflusst. Werden sie mutiger? Müssen sie nachdenken? Sind sie verängstigt? Was ist ihr Hintergrundwissen, das nur die Figuren selbst kennen?

Das Stück „Das Wirtshaus im Spessart“: Comtesse Liesel von Sandau (ich) und ihre Zofe Jette von Bülow (Kassandra von den Steinen) landen zusammen mit dem Handwerksburschen Felix (Conrad Voigt) im Wirtshaus im Spessart, in dem der Räuberhauptmann Rinaldo (Lukas Hercher) mit den Räubern Wilhelm (Chris Henkel) und Paula (Ursula Jahn) haust. Liesel wird als Geisel genommen, aber ihr geiziger Onkel Balduin (Frank Grünert) rückt kein Geld heraus. In diesem doppelbödigen witzig-verwegenen Spiel wird getrickst, werden unentwegt Kleider und Rollen getauscht und mit frechen und fröhlichen Frivolitäten gemischt – und all das hebt der TSL darüber hinaus in die 1920er Jahre. Das Stück ist für eine solch kleine Besetzung wie unsere ausgelegt, es wird nicht genauso sein wie im Film, aber natürlich gibt es den Ohrwurm „Ach, das könnte schön sein“.

„Frei nach Motiven des Dichters Wilhelm Hauff entstand 1958 die überaus erfolgreiche Kino-Komödie „Das Wirtshaus im Spessart“. Nach dem Drehbuch von Kurt Hoffmann kam 1976 das Musical zum Film mit den Melodien von Franz Grothe heraus, der bereits die Musik zum Film geschaffen hatte. Darüber hinaus erschienen neben dem Musical weitere Bearbeitungen verschiedener Autoren für das Theater“, erzählt Frank Grünert. Er kam 2011 auf die Idee, den Hof der Thüringer Bauernhäuser zu nutzen, um das Sommertheater anzubieten.

Seitdem bereichert der von ihm seit 40 Jahren geleitete TSL den Zeitraum, in dem das Theater Rudolstadt wegen Urlaub Spielpause hat, mit unterhaltsamen Theater für Einheimische, Menschen aus Thüringen und Touristen. Dadurch rücken die Bauernhäuser einmal mehr in das Licht der überregionalen Öffentlichkeit. Die geplante Inszenierung „Das Wirtshaus im Spessart“ passt optimal in die Kulisse des ältesten Freilichtmuseums Deutschlands.

Die anderen Darsteller haben mich herzlich aufgenommen, wofür ich sehr dankbar bin. Ich hoffe vor allem, sie nicht zu enttäuschen.

Dominique Lattich

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